Egoismus

Ein Artikel von Mag. Claudia Dieckmann

Egoismus

Egoismus ist das übermäßige Streben nach eigenen Vorteilen und Interessen.

Wenn man gewisse Menschen genauer betrachtet, fragt man sich unweigerlich, wenn man ein wenig Tiefe und Empathie in sich trägt, woher das kommen mag  und vor allem warum es dazu kam.
Es muss ja alles eine Ursache haben und Wirkungen zeigen.
In der Folge fragt man sich, ob und wie der/die Betroffene aus dieser Schleife je wieder raus kommen kann.
Vorher muss aber der Prozess der Erkenntnis statt gefunden haben, dass „mit einem selbst etwas nicht stimmt“. Bis es soweit ist, muss sehr viel „Wasser die Donau hinunter fließen“, weil der Betroffene ja alles tut, damit er es nicht merken muss, dass „etwas nicht stimmt; – das ist ja nur bei den anderen so“.

Menschen mögen solche Menschen nicht. Sie ecken an. Wer schon mal gegen eine Ecke gelaufen ist, weiß, dass Anecken gar nicht gut tut.
Und genau das Anecken verstärkt den Egoismus und den Beweis, dass die anderen „es“ sind, und gleichzeitig ist es die wohl größte göttliche Gnade und Chance für den Egoisten, zu Zeiten aufzuwachen.

Wie traurig, dass so etwas sich wie ein Schimmelpilz ins Denken, Fühlen und Handeln hängt und uns glauben lässt, das „seien wir“ und so sei die Welt.

Wie unendlich traurig.

Und schon ist Mitgefühl da mit dieser so schweren, möglicherweise lebenslangen Krankheit!!!!

 

Zur Entstehung:

Egoismus kann durch verschiedene psychologische, soziale und biologische Faktoren entstehen.

  1. Evolutionäre Perspektive:– **Selbsterhaltung**: Evolutionär gesehen ist das Streben nach eigenen Vorteilen und das Schützen der eigenen Ressourcen ein Überlebensmechanismus. Individuen, die ihre eigenen Interessen schützen und verfolgen, haben bessere Chancen zu überleben und ihre Gene weiterzugeben.

    – **Reproduktionsvorteile**: Egoistisches Verhalten kann in bestimmten Kontexten reproduktive Vorteile bieten, indem es sicherstellt, dass die eigenen Nachkommen besser versorgt und geschützt werden.

 

  1. Psychologische Faktoren:– **Selbstwertgefühl und Unsicherheit**: Menschen mit geringem Selbstwertgefühl oder Unsicherheiten neigen dazu, egoistisch zu handeln, um ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und sich selbst zu schützen.

    – **Erfahrungen und Erziehung**: Menschen, die in einer Umgebung aufgewachsen sind, in der Selbstinteresse gefördert wurde oder in der Ressourcen knapp waren, können dazu neigen, egoistischer zu handeln.

 

      3. Soziale und kulturelle Einflüsse:

– **Kulturelle Werte**: In Gesellschaften, die Individualismus und persönlichen Erfolg hoch schätzen, kann Egoismus stärker ausgeprägt sein als in Gemeinschaften, die
kollektive Werte und Kooperation betonen
.

– **Soziale Konditionierung**: Normen und Erwartungen der Gesellschaft, die egoistisches Verhalten belohnen, tragen bei zur Entwicklung von Egoismus.

  1. Neurologische und biologische Faktoren:– **Gehirnstrukturen**: Bestimmte Hirnregionen und Neurotransmitter beeinflussen egoistisches Verhalten. Belohnungszentren im Gehirn werden aktiviert, wenn Menschen egoistisch handeln (Studien siehe unten).

 

Hier sind bedeutende Forschungsarbeiten, die dieses Phänomen untersucht haben:

 

  1. **Study on Neural Correlates of Selfish Behavior**:

– **Titel**: „Neural responses to sanction threats in two-party economic exchange“

– **Autoren**: de Quervain, D. J.-F., Fischbacher, U., Treyer, V., Schellhammer, M., Schnyder, U., Buck, A., & Fehr, E.

– **Journal**: Science

– **Jahr**: 2004

– **Ergebnisse**: Diese Studie zeigte, dass Bestrafungen egoistischen Verhaltens bestimmte Hirnregionen aktivieren, einschließlich des Striatums, das mit Belohnungsprozessen in Verbindung steht. Die Forscher stellten fest, dass egoistisches Verhalten eine positive Reaktion im Gehirn hervorrufen kann, wenn es keine negativen Konsequenzen gibt.

 

  1. **Study on the Neural Basis of Altruistic Punishment**:

– **Titel**: „The neural basis of altruistic punishment“

– **Autoren**: de Quervain, D. J.-F., Fischbacher, U., Treyer, V., Schellhammer, M., Schnyder, U., Buck, A., & Fehr, E.

– **Journal**: Science

– **Jahr**: 2004

– **Ergebnisse**: Diese Studie zeigte, dass das Striatum, das mit Belohnung assoziiert wird, auch aktiviert wird, wenn Menschen altruistisch bestrafen. Dies deutet darauf hin, dass das Belohnungssystem des Gehirns sowohl auf egoistisches als auch auf altruistisches Verhalten reagieren kann, je nach Kontext.

 

  1. **Study on the Brain’s Reward System and Economic Decision Making**:

– **Titel**: „Dissociable neural representations of reinforcement and belief prediction errors underlie strategic learning“

– **Autoren**: Hampton, A. N., & O’Doherty, J. P.

– **Journal**: Neuron

– **Jahr**: 2007

– **Ergebnisse**: Diese Studie untersuchte, wie das Gehirn auf Belohnungen und Vorhersagefehler reagiert, insbesondere im Kontext von wirtschaftlichen Entscheidungen. Die Ergebnisse zeigten, dass das ventrale Striatum eine Schlüsselrolle bei der Verarbeitung von Belohnungen spielt, einschließlich derer, die durch egoistisches Verhalten erzielt werden.

 

  1. **Study on Social Preferences and the Brain**:

– **Titel**: „Neural mechanisms of social risk for different types of decisions“

– **Autoren**: Moutoussis, M., Dolan, R. J., & Dayan, P.

– **Journal**: Neuron

– **Jahr**: 2016

– **Ergebnisse**: Diese Studie zeigte, dass unterschiedliche Arten von Entscheidungen, einschließlich solcher, die egoistisches Verhalten beinhalten, unterschiedliche neurale Mechanismen aktivieren. Insbesondere das ventromediale präfrontale Kortex und das Striatum sind an der Verarbeitung von Belohnungen und sozialen Präferenzen beteiligt.

 

Diese Studien zeigen, dass das Belohnungssystem des Gehirns, insbesondere das Striatum, eine wesentliche Rolle bei der Verarbeitung von Belohnungen spielt, die durch egoistisches Verhalten erzielt werden.

Egoistisches handeln ruft direkt positive neuronale Reaktionen hervorrufen.   –

**Hormonelle Einflüsse**: Hormone wie Testosteron und Oxytocin können das Sozialverhalten beeinflussen und damit auch egoistische Tendenzen verstärken oder abschwächen.

 

Bleibt nur mehr die Frage: wie kann Mensch erkennen und wie kommt er da raus?

Erkennen, dass man egoistisch ist, und Schritte unternehmen, um dieses Verhalten zu ändern, erfordert:

Selbstreflexion, Ehrlichkeit und die Bereitschaft, sich zu verbessern.

Hier sind einige Anzeichen, die darauf hinweisen können, dass man egoistisch ist, und Schritte, um dieses Verhalten zu ändern:

 

Anzeichen für egoistisches Verhalten:

 

  1. Unfähigkeit zuzuhören:

– Wenn du oft Gespräche unterbrichst oder das Gespräch immer wieder auf dich selbst lenkst, könnte das ein Zeichen für Egoismus sein.

 

  1. Mangel an Empathie:

– Schwierigkeiten, die Gefühle und Perspektiven anderer zu verstehen und nachzuvollziehen.

 

  1. Bedürfnis, im Mittelpunkt zu stehen:

– Wenn du ständig nach Aufmerksamkeit suchst und Anerkennung erwartest, selbst in Situationen, in denen es um andere gehen sollte.

 

  1. Ignorieren der Bedürfnisse anderer:

– Wenn du selten Rücksicht auf die Bedürfnisse und Wünsche anderer nimmst und deine eigenen immer in den Vordergrund stellst.

 

  1. Nicht teilen können:

– Wenn es dir schwerfällt, Ressourcen oder Zeit mit anderen zu teilen.

 

  1. Manipulatives Verhalten:

– Wenn du andere oft zu deinem Vorteil manipulierst oder ausnutzt.

 

Schritte zur Veränderung:

 

  1. Selbstreflexion und Ehrlichkeit:

– Führe regelmäßig Selbstreflexion durch und sei ehrlich zu dir selbst über deine Handlungen und Motive.
Frage dich, ob deine Entscheidungen und Handlungen auch im Interesse anderer liegen.

 

  1. Empathie entwickeln:

– Versuche, dich in die Lage anderer zu versetzen und ihre Perspektiven zu verstehen. Übe aktives Zuhören und achte auf nonverbale Signale.

 

  1. Feedback einholen:

– Frage Freunde, Familie oder Kollegen nach ehrlichem Feedback über dein Verhalten. Nimm konstruktive Kritik an und arbeite daran, dich zu verbessern.

 

  1. Achtsamkeit praktizieren:

– Übe Achtsamkeit, um bewusster und präsenter im Moment zu sein. Dies kann dir helfen, weniger impulsiv zu handeln und mehr auf die Bedürfnisse anderer einzugehen.

 

  1. Altruistische Handlungen:

– Mache bewusst altruistische Handlungen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Dies kann dir helfen, Freude daran zu finden, anderen zu helfen und deine Einstellung zu ändern.

 

  1. Verantwortung übernehmen:

– Übernimm Verantwortung für deine Fehler und entschuldige dich bei denen, die du möglicherweise verletzt hast. Zeige, dass du bereit bist, an dir zu arbeiten.

 

  1. Professionelle Hilfe suchen:

– Wenn es dir schwerfällt, deine Verhaltensmuster allein zu ändern, kann die Unterstützung durch einen Therapeuten oder Coach hilfreich sein.

 

 

Praktische Übungen:

 

    1.Tägliches Dankbarkeitstagebuch:

– Schreibe täglich drei Dinge auf, für die du dankbar bist, und achte darauf, wie andere dazu beigetragen haben.

 

  1. Zeit für andere:

– Plane regelmäßig Zeit ein, um anderen zu helfen, sei es durch Freiwilligenarbeit oder kleine Gefälligkeiten im Alltag.

 

  1. Positives Verstärken:

– Lobe und schätze die Handlungen und Bemühungen anderer und erkenne ihre Beiträge an.

 

Indem du dich bemühst, egoistische Verhaltensweisen zu erkennen und aktiv daran arbeitest, dein Verhalten zu ändern, kannst du langfristig bessere Beziehungen aufbauen und ein erfüllteres Leben führen.

 

Die Gefahr, yogisches und spirituelles Wissen als Futter für den nicht erkannten Egoismus zu verwenden:

 Yogisches und spirituelles Wissen kann/soll/ muss zu tiefgreifenden positiven Veränderungen im Leben eines Menschen führen.
Tut es das nicht, muss man sich fragen, warum das so ist.

Es besteht die Gefahr, dass dieses frei erhältliche Wissen unbewusst den eigenen Egoismus verstärkt, wenn es falsch angewendet oder interpretiert wird.
Diese Gefahr ist besonders groß, wenn das Streben nach spirituellem Wissen nicht von echter Selbstreflexion und Demut begleitet wird.
Hier sind einige Aspekte, wie spirituelles Wissen zum Futter für nicht erkannten Egoismus werden kann:

 

  1. Spiritueller Stolz und Überheblichkeit

Menschen, die sich intensiv mit Yoga und Spiritualität beschäftigen, können das Gefühl entwickeln, spirituell überlegen zu sein.
Dieser spirituelle Stolz kann sich in verschiedenen Formen zeigen:

– **Überheblichkeit**: Glaube, dass man aufgrund seines Wissens oder seiner Praxis anderen überlegen ist.

– **Urteilen**: Andere verurteilen, die einen anderen Weg gehen oder nicht denselben spirituellen Fortschritt erreicht haben.

– **Exklusivität**: Sich von anderen abgrenzen und eine „Wir gegen die“ Mentalität entwickeln.

 

  1. Instrumentalisierung spiritueller Praktiken

 Spirituelle Praktiken wie Meditation, Yoga oder Rituale können als Mittel zur Selbstverherrlichung oder zum Erreichen weltlicher Ziele missbraucht werden:
– **Selbstverherrlichung**: Die eigenen spirituellen Erfahrungen und Fortschritte zur Schau stellen, um Bewunderung oder Anerkennung zu erhalten.

– **Manipulation**: Spirituelle Einsichten nutzen, um andere zu manipulieren oder zu kontrollieren.

 

  1. Ego als spiritueller Lehrer

Manchmal kann das Ego selbst als „spiritueller Lehrer“ auftreten und den Suchenden in die Irre führen:

– **Selbsttäuschung**: Glauben, dass man erleuchtet oder besonders auserwählt ist, während man in Wahrheit von seinem Ego geleitet wird.

– **Illusion der Überlegenheit**: Das Gefühl, dass man keine weiteren Lektionen mehr lernen muss, weil man bereits „alles weiß“.

 

  1. Fehlende Integration von Wissen

Wissen allein ist nicht genug. Ohne die richtige Integration und Anwendung im Alltag kann spirituelles Wissen hohl und oberflächlich bleiben:

– **Praktische Anwendung**: Wenn das erlernte Wissen nicht in echte Mitmenschlichkeit und ethisches Verhalten umgesetzt wird.

– **Innere Transformation**: Fehlende tiefere innere Transformation und Veränderung der grundlegenden Charaktereigenschaften.

 

Strategien zur Vermeidung dieser Fallen

 

  1. Selbstreflexion und Demut:

– Regelmäßige Selbstprüfung und das Eingestehen eigener Fehler und Schwächen. Die Erkenntnis, dass Spiritualität ein lebenslanger Lernprozess ist.

 

  1. Achtsamkeit und Bewusstsein:

    – Ständige Wachsamkeit gegenüber den eigenen Motiven und Handlungen. Achtsamkeitspraxis kann helfen, egoistische Tendenzen zu erkennen und zu korrigieren.

 

  1. Ethisches Verhalten:

  – Betonung auf ethischem Verhalten und Mitgefühl im Alltag. Spirituelles Wissen sollte sich in Taten der Freundlichkeit und des Dienens manifestieren.

 

  1. Authentische Lehrer und Gemeinschaft:

    – Sich von authentischen Lehrern und spirituellen Gemeinschaften leiten lassen, die echte Demut und Mitmenschlichkeit vorleben.

 

  1. Dienen statt nehmen:

    – Den Fokus vom eigenen spirituellen Fortschritt auf das Dienen und Helfen anderer verlagern. Praktiken des selbstlosen Dienens (Seva) können das Ego mindern.

 

Fazit

Die Anwendung yogischen und spirituellen Wissens erfordert eine tiefe, ehrliche Selbstreflexion und die Bereitschaft, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Indem man sich der Fallen des Egoismus bewusst ist und aktiv daran arbeitet, diesen zu begegnen, kann spirituelles Wissen tatsächlich zu echter innerer Transformation und Mitmenschlichkeit führen.