Familie – Sangha
Sangha (Sanskrit) bedeutet Gemeinschaft, gemeint ist damit die Gemeinschaft der spirituell Praktizierenden im Buddhismus.
Die Zusammensetzung der Mitglieder einer Sangha sind jedoch ebenso willkürlich wie die Zusammensetzung einer Familie.
Wir können uns nicht aussuchen, in welche Familie wir geboren werden, ebensowenig wie wir uns die Mitglieder einer Gemeinschaft aussuchen können.
Die Sangha können wir jederzeit wieder verlassen, das steht uns frei, je nach dem wie stark der innere Ruf nach der spirituellen Praxis ist.
Bleiben wir und stellen uns den Herausforderungen des Gemeinschaftslebens oder gehen wir, weil uns das Gemeinschaftsleben zu beschwerlich erscheint.
Die Familie können wir in der Regel nicht einfach verlassen und das ist auch gut so, es zwingt uns, uns der Herausforderung des Gemeinschaftslebens zu stellen, daran zu „wachsen“.
„Family life is one of the fastest way to Spiritual Development.
Inevitably, there is relationship friction.
You develop Self-Sacrifice, Self-Control, Patience, Flexibility and Tolerance.“
(Master Choa Kok Sui)
Im erweiterten Sinne würde ich Sangha oder Familie auf jede Gemeinschaft ausdehnen, denn tatsächlich ermöglicht uns jede Gemeinschaft („mehr als zwei sind eine Gruppe …“) persönliches Wachstum, zwingt uns, manchmal persönliche Bedürfnisse zurückzustellen, uns zu beherrschen, geduldig , flexibel und tolerant zu sein.
Die Verhaltensmuster, Prägungen, Programme, Konditionierungen sowie Verhaltens- und Reaktionsweisen, die wir in unserer Familie gelernt haben, tragen wir ein Leben lang bewusst und großteils unbewusst in uns und versuchen jede neue Gemeinschaft, der wir beitreten (sei es der Arbeitsplatz mit den Kollegen, seien es Interessensgemeinschaften, sei es die eigene gegründete Familie, etc.), so zu gestalten, wie wir es als Kinder in unserer Familie gelernt haben.
Daraus ergeben sich zwangsläufig Konflikte, denn es stoßen mehrere Menschen aufeinander, die alle aus unterschiedlichen Familien kommen und entsprechend unterschiedliches „Familiengepäck“ (Verhaltensweisen, Erwartungen, Muster, Prägungen, Programme, Konditionierungen, etc.) mitbringen.
Erschwerend kommt hinzu, dass jeder seine individuellen Vorstellungen über seinen Weg zu persönlichem Wachstum verwirklichen will und daraus Wertvorstellungen entwickelt hat, die nicht immer mit denen der anderen übereinstimmen.
Variante 1 = Konflikt vermeiden
Alle Mitglieder der Gemeinschaft bleiben möglichst unverbindlich, bewegen sich nur in sicherem Terrain, wo es zu möglichst wenig Berührungs- und Reibungspunkten, Konflikten, etc. kommt.
Man einigt sich auf ein freundliches, unverbindliches „NEBENEINANDER“.
Das bedeutet „Egotrip, neben Egotrip, neben Egotrip.“
Es ist eigentlich keine echte Sangha, kein echtes „ZUSAMMENGEHÖREN“, „ZUSAMMENSTEHEN“, „EINS SEIN“, „MIT- und FÜREINANDER SEIN“.
Mehrere Individuen teilen nur einen gemeinsamen, definierten Raum, aber tatsächlich tut jeder, was er für sich selbst will und für richtig hält und versucht nur, die Berührungspunkte zu den anderen möglichst gering zu halten, um unangenehmen Konflikt- oder Reibungspunkten auszuweichen.
Das ist die häufigste Variante, der wir in der Regel im Alltagsleben, in Beruf, Freundeskreis, etc. begegnen.
Warum fürchten wir die „Berührung“, die „Reibung aneinander“, den Konflikt sosehr, dass wir nahezu alles tun, um diese Situationen zu vermeiden?
Weil wir es PERSÖNLICH NEHMEN!
Ein Mensch teilt mit, dass er etwas nicht auf diese Art will, wie wir es wollen.
Das ist eine einfache faktenbezogene Aussage.
Wir verstehen aber nicht die Botschaft „ich will DAS nicht“, sondern bei uns kommt an „ich will DICH nicht“!
Warum können wir meistens nicht anders, als die Ablehnung einer unserer Vorstellungen, Ideen, etc. persönlich zu nehmen, anstatt es auf die Sache zu beziehen?
Weil wir uns mit unseren Vorstellungen, Ideen, Erwartungen, etc. identifizieren.
ERWARTUNGEN
Wir lernen sehr früh, dass das „Erfüllen der Erwartungen anderer“ (z.B. der Eltern) mit Anerkennung, Liebe, Lob, etc. BELOHNT wird.
Umgekehrt erfahren wir sehr bald, dass das „Nicht-Erfüllen der Erwartungen anderer“ mit Aufmerksamkeitsverweigerung, Liebesentzug, Ignoranz, etc. BESTRAFT wird.
Es hat also tatsächlich etwas mit uns zu tun!
Wenn wir uns so verhalten, wie es die anderen wollen, dann sind wir LIEBENSWERT.
Wenn wir uns NICHT so verhalten, wie es die anderen wollen, dann sind wir NICHT LIEBENSWERT.
Die Entscheidung, ob wir OK sind oder nicht, hängt also maßgeblich von unserem Verhalten, Vorstellungen, Ideen, etc. ab.
Wir werden nicht einfach bedingungslos geliebt, weil wir SIND, sondern wir werden geliebt, weil wir den Erwartungen ENTSPRECHEN.
Das ist ein sehr machtvolles Verhalten, es gibt dem, der Liebe, Aufmerksamkeit, Lob vergibt, Macht über denjenigen, der entsprechen soll.
Drastisch formuliert ist es jedoch MACHTMISSBRAUCH!
Wahre Liebe ist bedingungslos.
Oder liebt Gott den „schlimmen“ Menschen etwa weniger?
Hat Jesus die „Schlimmen“ weniger geliebt?
Dieses Macht-Muster übernehmen wir und üben fortan Macht aus, indem wir Anerkennung, Lob, Aufmerksamkeit vergeben, wenn jemand unseren Erwartungen entspricht, und entsprechend umgekehrt, wenn unsere Erwartungen nicht erfüllt werden.
Lösung YANG
Selbst aus diesem Muster ausbrechen, die Liebe, Sympathie zu einem Menschen nicht mehr von seinem Verhalten abhängig machen, sondern sachlich mitteilen, dass wir ein Verhalten, eine Idee, etc. nicht wollen oder befürworten, aber gleichzeitig auch klar machen, dass wir den Menschen lieben, ungeachtet, ob uns die Idee gefällt oder nicht. Zeigen, dass wir in der Lage sind, zwischen Sache und Mensch zu unterscheiden.
Lösung YIN
Selbst die Ablehnung einer unserer Verhaltensweisen, Ideen, Vorstellungen durch andere nicht persönlich nehmen, sondern erkennen, dass es einen klaren Unterschied zwischen uns als Mensch und unseren Ideen gibt. Damit „entmachten“ wir den anderen, nehmen ihm die Macht, über unser Wohlbefinden zu entscheiden.
Variante 2 = Konflikt
Wenn wir uns darauf einlassen, uns zu berühren, uns berühren zu lassen, offen sind für das MITEINANDER, dann wird Konflikt unvermeidlich sein, weil unterschiedliche Vorstellungen, Erwartungen, Werte aufeinandertreffen.
Warum sind wir konfliktscheu?
Weil wir es PERSÖNLICH NEHMEN!
- Weil wir andere Meinungen oder die Ablehnung unserer Sichtweise als Ablehnung unserer Person verstehen, anstatt als Ablehnung der Sache.
- Weil wir über andere Macht ausüben wollen (wie wir es gelernt haben – siehe oben), indem wir sie mit Entzug von Anerkennung, Lob, Liebe „bestrafen“ oder sogar aktiv Ablehnung vermitteln, schimpfen, etc., wenn sie unseren Erwartungen nicht entsprechen.
Berührung bringt Reibung
Es gibt aber auch die Möglichkeit zu entscheiden, dass Konflikt auch Wachstum bedeuten kann.
Der Diamant, der wir sind, wird durch schmerzhaftes Schleifen freigelegt.
Abgeschliffen wird Intoleranz, Erwartungen, Starrheit, Festhalten, Anhaften, etc. bis der klare, glänzende, reine Schatz freigelegt ist, der wir sind.
Wir können uns entscheiden, ob wir uns freiwillig zum „Schleifen“ melden und in eine Sangha einbringen, Gemeinschaft, Berührung, Bewegung leben oder ob wir an der Oberfläche, jeder für sich, statisch nur „zufällig“ im selben Raum, bleiben.
Das Leben wird uns schleifen, bis wir ein wunderschöner, klarer Diamant in Gottes Krone sind, so oder so, es ist nur eine Frage der Geschwindigkeit.
Melden wir uns freiwillig, geht’s schnell, aber nicht schmerzlos.
Melden wir uns nicht freiwillig, wird es auch geschehen, nur vielleicht etwas langsamer, mühsamer, aber nicht weniger schmerzhaft.
Mehr über Bewusstsein erfahren Sie im Seminar Bewusst Sein.
Auch wenn wir die männliche Form verwenden, beziehen wir uns auf alle Wesen, gleich welchen Geschlechts, ebenso wie sich unsere Artikel an alle Wesen, unabhängig von Herkunft, Glauben oder Hautfarbe, richten.
Autorin: Jana Thann